MUSIK DER NEUEN SYNAGOGE
Konzert der Synagogenmusik
Lauschen Sie den wiedergewonnenen Klängen
08.09.2024 (Sonntag), 19:00 Uhr
Evangelisch-Augsburgische Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit in Stettin
ul. Energetyków 8
Interpreten:
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Ensemble Yael - Vokal
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ExQuartet - Streichquartett
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Jakub Stefek - Orgel
Wieso „Musik der Neuen Synagoge”?
Die Neue Synagoge in Stettin - ein Name, der nirgendwo auf dem Stadtplan zu finden ist. Wieso sollten wir danach suchen? Die große Mehrheit von uns hat keine jüdische Abstammung. Es kann sein, dass wir noch nie in unserem Leben eine Synagoge besucht haben. In der Schule haben wir nichts über die jüdische Kultur gelernt, zu Hause haben wir darüber nicht gesprochen und im Alltag sind wir nicht damit in Berührung gekommen. In den Medien und in der öffentlichen Diskussion werden die genannten Themen in der Regel im Zusammenhang mit kontroversen Fragen aufgeworfen, wobei häufig emotionsgeladene Reaktionen hervorgerufen werden, die denjenigen zugutekommen, die solche Themen in die Diskussion einbringen.
Wir wussten auch nicht viel über die Neue Synagoge in Stettin. Wir wussten, wo sie stand, wir kamen an einer kleinen Gedenktafel vorbei und das war's. Heute ist der Ort dank eines großen Wandbildes am Gebäude der benachbarten Pommerschen Bibliothek leichter zu erkennen. Allerdings weckt er nur wenige Assoziationen. Nach wie vor ist es ein kleines, leeres Grundstück mitten im Zentrum von Stettin.
Die Neue Synagoge in Stettin an der Grünen Schanze, heute ul. Dworcowa, wurde im Mai 1875 eingeweiht. Sie brachte Anhänger des Reformjudentums zusammen, das eine Offenheit gegenüber der umgebenden Welt und ihren modernen Gegebenheiten voraussetzte und gleichzeitig die Entwicklung von Bildung und Kunst hervorhob. Der Weg zum gegenseitigen Verständnis zwischen den Völkern, die nebeneinander lebten, bestand darin, die Gemeinsamkeiten zu betonen, sich aber gleichzeitig der geschichtlich bedingten Unterschiede bewusst zu sein. Die Neue Synagoge wurde so zu einem offenen und lebendigen Ort, nicht nur in religiöser, sondern auch in kultureller Hinsicht. Ihre Geschichte endete am 9. November 1938, in der Reichskristallnacht, bei der sie niedergebrannt wurde. Die Ruinen wurden schließlich drei Jahre später abgerissen. Vor zwei Jahren gelangten wir im Staatsarchiv in Stettin in den Besitz der einzigen noch erhaltenen Dokumente aus dieser Zeit.
Nur durch Zufall haben wir vor ein paar Jahren herausgefunden, dass in der Neuen Synagoge in Stettin ein besonders guter Chor sang, der von einer Orgel begleitet wurde. An diesem Punkt war unsere Neugier geweckt - wenn es Musiker gab, musste es auch ein Repertoire geben. Da es ein Repertoire gab, muss es auch Noten gegeben haben. Da es Noten gibt, können wir auch diese Musik aufführen, die in den Noten festgehalten wurde. Wir können die Neue Synagoge wieder zum Leben erwecken, nicht physisch, sondern geistig, emotional und transzendent.
Dieser Gedanke wurde zum Grundgedanken der Tage der jüdischen Musik in Stettin. In diesem Rahmen setzen wir seit sieben Jahren das Projekt „Musik der Neuen Synagoge“ fort. Zum ersten Mal seit dem Krieg haben wir viele Werke aufgeführt, von denen es keinen Zweifel gibt, dass sie an der Grünen Schanze gespielt wurden. Wir haben Aufträge an Komponisten vergeben, was zur Schaffung neuer Werke geführt hat. Nach zweihundert Jahren kehrte die Musik von Abraham Lichtenstein, Stettins berühmtestem Kantor aus dem 19. Jahrhundert, nach Stettin zurück. Auf dem künstlerischen Weg trafen wir sogar die Nachkommen von Jakob Sarahsson, einem Stettiner Kantor von 1875 bis 1912, die heute noch in in Israel, der Schweiz, Spanien und den USA leben.
Mit dieser Ausgabe wollen wir den Träumen der alten Meister folgen. In verschiedenen Quellen finden sich zahlreiche Hinweise darauf, dass die Komponisten und Kantoren der alten Zeit ständig daran dachten, die in der Synagoge verwendete Instrumentierung zu erweitern. Die Orgel regte ihre Fantasie an, weil sie verschiedene Instrumente imitieren konnte. Sie waren jedoch auf der Suche nach neuen Farben, und einige von ihnen schrieben mit der Hoffnung, dass eines Tages ganze Orchester in den Synagogen erklingen würden. Vor fast achtzig Jahren wurden diese Träume verhindert.
Im Rahmen des Konzerts „Musik der Neuen Synagoge“ wollen wir jedoch zu ihnen zurückkehren. Die Sänger des YAEL-Projekts – Anna Woźnicka, Anita Szwacińska, Bartosz Szwaciński und Piotr Łapiński – haben eine Auswahl von Psalmen und Hymnen aus der musikalischen Tradition der Neuen Synagoge getroffen, die dann für die Orgel und das Streichquartett bearbeitet wurden. Das ExQuartett – Paweł Maślanka, Łukasz Górewicz, Grzegorz Sadowski und Tomasz Szczęsny – wurde eingeladen, für Sie zu spielen. An der Orgel spielt Jakub Stefek – der künstlerische Leiter unseres Festivals. Seine musikalische Reise, die in der Neuen Synagoge in Stettin begann, führte ihn zur Orgelkontur der Synagoge in Berlin, wo er seit 2020 Organist ist.
Aber die Geschichte über die Musik der Neuen Synagoge ist nicht nur ein Versuch, ein nicht mehr existierendes Stück Stettins wiederzubeleben. Sie ist auch ein Beispiel dafür, wie die Geschichte in unser Leben hier und heute einfließen kann. Indem wir sie entdecken, können wir uns gegenseitig besser verstehen. Wir können das kulturelle Erbe verschiedener Nationen gemeinsam erleben. Wir können auch unbekannte Orte erkunden und unser Wissen erweitern. Wir können eine Gemeinschaft werden.
Das Konzert ist Teil der 7. Internationalen Tage der jüdischen Musik in Stettin
PARTNER
Verein Lebendiges Brüssow e.V.
KÜNSTLER
ENSEMBLE YAEL
Anna Woźnicka (Sopran) – Vokalistin, Arrangeurin, Pianistin und Chordirigentin. Sie kommt aus einer Familie mit reicher Musiktradition. Absolventin der Fryderyk-Chopin-Musikuniversitä in Warschau und Stipendiatin des Erasmus-Programms an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Sie hat mit dem Chor der Warschauer Kammeroper zusammengearbeitet und Konzerte mit Wiener Chören gegeben: Arnold Schönberg Chor unter der Leitung von Nikolaus Hornoncourt und Wiener Singakademie – der Chor des Wiener Konzerthauses, mit dem sie unter der Leitung von Sir Simon Rattle, Kent Nagano und Valery Gergiev sang. Mit dem Ensemble Vox Varshe (ehemals Vocal Varshe) gewann sie den Grand Prix des 21. Folkfestivals des Polnischen Rundfunks – Neue Tradition und den 3. Preis des Folkphonogramms des Jahres 2018.
Anita Szwacińska (Mezzosopran) – Absolventin der Fryderyk-Chopin-Musikuniversität in Warschau mit den Hauptfächern Sologesang und Schauspiel. Seit Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit hat sie an Konzerten mit sakralen, patriotischen und Operettenthemen teilgenommen. Ihr Bühnendebüt gab sie in der Rolle der Pamina in W. A. Mozarts „Die Zauberflöte“. Sie spielte die Rolle der Rosario in der polnischen Erstaufführung von E. Granados' Oper „Goyescas“. Sie gab Konzerte in Deutschland und Dänemark. Sie ist Sängerin im Ensemble Tango Nuevo Project.
Bartosz Szwaciński (Tenor) – Absolvent der Fryderyk-Chopin- Musikuniversität in Warschau in den Hauptfächern Sologesang und Schauspiel sowie der Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität im Fach Musikwissenschaft. In den Jahren 2012-2013 war er Mitglied des Ensembles Virum Schola Gregoriana Cardinalis Stephani Wyszyński, mit dem er Konzerte gab und eine Reihe von CDs mit Alter Musik aus Jasna Góra aufnahm. Während seines Studiums trat er unter anderem in der Artur-Malawski-Philharmonie in Rzeszów, der Kammerbühne des Großen Theaters – Nationaloper in Warschau, dem Zentrum des Heiligen Johannes in Gdańsk, dem Witold-Lutosławski-Konzertstudio des Polnischen Rundfunks in Warschau und dem Copernicus Center in Chicago auf. Seit 2019 arbeitet er mit der Gruppe Vox Varshe zusammen, die 2018 den Grand Prix beim 21st Folkfestival des Polnischen Rundfunks – Neue Tradition gewonnen hat. Derzeit ist er Chorkünstler am Großen Theater – Nationaloper.
Piotr Łapiński (Bass-Bariton) – Absolvent der Gesangsabteilung der Fryderyk-Chopin- Musikuniversität in der Klasse von Professor Jerzy Knetig und des Aufbaustudiums für Blasorchesterleitung in der Klasse von Professor Szymon Kawalla. Stipendiat des Ministeriums für Kultur und Kunst für herausragende künstlerische Leistungen. Preisträger vieler Gesangswettbewerbe. Er wurde unter anderem beim Nationalen K.-Jamroz-Wettbewerb in Kielce, beim F.-Platówna-Wettbewerb in Wrocław, beim M.-Karłowicz-Wettbewerb in Krakau und beim Wettbewerb „Goldene Stimmen von Masowien“ in Warschau ausgezeichnet. Er hat Konzerte in Deutschland, Österreich, der Tschechischen Republik, der Ukraine, Mazedonien, Weißrussland, Litauen, Lettland, Belgien, den Niederlanden und Italien gegeben. Derzeit arbeitet er im Repräsentativen Kunstensemble der Polnischen Armee in Warschau und nimmt jährlich an Dutzenden von Konzerten, musikalischen Auftritten im In- und Ausland während der wichtigsten staatlichen und patriotischen Veranstaltungen teil.
EXQUARTET
ÉxQuartet ist ein Streichquartett, das aus den herausragenden Musikerpersönlichkeiten des Symphonieorchesters der Philharmonie in Stettin besteht. Die Künstler haben bereits verschiedene Erfahrungen in der Musikwelt gesammelt: in Warschau, Stettin und Breslau. Zum Quartett gehören: Monika Sawczuk erste Violine - Ersetzt wird Pavel Maschlanka, Łukasz Górewicz zweite Violine, Grzegorz Sadowski Bratsche und Tomasz Szczęsny Cello.
Das Ensemble ist aktiv im Bereich der Konzert- und Verlagstätigkeit. Die Musiker treten als Kammermusiker, Solisten und Konzertmeister auf, was ihnen eine facettenreiche Perspektive der Aufführung ermöglicht. Daraus resultieren einzigartige Interpretationen der Literatur für Streichquartett, die Schaffung neuer Ausdrucksformen und die unauslöschliche emotionale Aufladung, die das Publikum bei jedem Konzert erfährt.
ÉxQuartet hat 2020 seine 3 Debütalben NEW MUSIC FOR STRING QUARTET mit zeitgenössischer Musik aufgenommen. Diese Alben erhielten 2021 die GLOBAL MUSIC AWARDS und ein weiteres Album, „IV“ wurde von der Philharmonie in Stettin veröffentlicht. Im Jahr 2023 kamen zwei weitere Alben mit zeitgenössischer Musik hinzu. Die Künstler haben bei zahlreichen Festivals gespielt, darunter: Internationales Musikfestival Kwidzyn sowie das Internationale Orgelfestival in Stettin. Sie traten bei der Premiere des Oscar-nominierten Films „Apolonia, Apolonia“ auf.
Das Quartett trat beim 6. Turnier der wahren Musiker auf und gestaltete die Einweihung des Pilecki-Instituts in Berlin. Zudem gewann es den Titel des Vizemeisters beim Internationalen Kammermusikturnier in Bydgoszcz 2022 und führt dank der Unterstützung durch die Woiwodschaft Westpommern Projekte durch. Seit 2020 sind die Musiker Botschafter für die innovativen ConCarbo-Saiten.
JAKUB STEFEK
Promotion in Kunst und Wirtschaft, Dozent am Lehrstuhl für Musiktheorie und -didaktik an der Kunstakademie in Stettin, Organist an der Synagoge Pestalozzistraße in Berlin, Vorstandsmitglied der Stiftung SPOT.ON ART.
Im Jahr 2015 schloss er sein Orgelstudium an der Fryderyk-Chopin- Musikuniversität in Warschau in der Orgelklasse von Prof. Andrzej Chorosiński mit einer hervorragenden Note ab. Im Rahmen des Erasmus-Programms studierte er auch an der Kunstuniversität Graz in der Klasse von Prof. Gunther Rost. Seit 2017 ist Jakub Stefek Dozent an der Kunstakademie in Stettin, wo er Orgel, Kammermusik, liturgische Begleitmusik, Organisation von künstlerischen Veranstaltungen, soziale Kommunikation und Musikvermittlung unterrichtet. Im Jahr 2021 erhielt er den Doktortitel der Musikkunst von der Karol-Lipiński-Musikakademie in Breslau. Im Jahr 2022 promovierte er an der Wirtschaftsuniversität Kattowitz.
Jakub Stefek ist als Musiker auf dem Gebiet der jüdischen Orgelmusik tätig. Im Februar 2018 nahm er an dem ersten Konzert in der Nachkriegsgeschichte der Warschauer Synagogen teil, bei dem Orgelstücke in der Nożyk-Synagoge aufgeführt wurden. Im selben Jahr initiierte er das jährliche Festival 'Tage der jüdischen Musik in Stettin'. Seit 2019 arbeitet er mit Kantor Isidoro Abramowicz zusammen, dem Leiter der Kantor:innenausbildung am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam. Seit 2020 arbeitet er ununterbrochen mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin als Organist der Synagoge Pestalozzistraße zusammen – der einzigen Synagoge in Deutschland, die noch die musikalischen Traditionen des Reformjudentums aus dem 19. Jahrhundert fortführt. Im Rahmen eines künstlerischen Programms mit dem Titel „Musik der Neuen Synagoge“ hat er Konzerte in mehr als einem Dutzend Städten in Polen, Deutschland und Israel gegeben. Dank des Wirkens von Jakub Stefek sind die Orgelwerke einiger jüdischer Komponisten erstmals seit dem Krieg wieder in Polen zu hören.
Das Thema seiner Doktorarbeit war „Das Werk jüdischer Orgelmusikkomponisten in Mitteleuropa in den Jahren 1810-1938“. Es handelt sich um die erste Veröffentlichung in der polnischen Literatur zu diesem Thema. Im Jahr 2022 wurde diese Dissertation mit dem dritten Preis des 10. Majer-Balaban-Wettbewerbs für die beste Doktorarbeit über Juden und Israel ausgezeichnet, der vom Jüdischen Historischen Institut in Warschau veranstaltet wird. Sie ist die erste Arbeit aus dem Bereich der Musikkunst in der Geschichte des Wettbewerbs, die diese Auszeichnung erhielt.
Im Jahr 2021 veröffentlichte die Universität Potsdam seine CD „Arno Nadel – Schire Simroh“ mit Kantor Isidoro Abramowicz und dem Chor der Synagoge Pestalozzistraße in Berlin. 2023 brachte das Label DUX 'Jakub Weiss - Psalmen und Hymnen' heraus, erneut mit Abramowicz sowie Barbara Halec und dem Kammerchor der Kunstakademie in Stettin. Im selben Jahr erschien bei Requiem Records in Warschau sein Soloalbum DAS ECHO DES TEMPELS mit Uraufführungen von Werken, die ihm von Adam Porębski, Aleksandra Chmielewska, Anna Maria Huszcza, Marcin Tadeusz Łukaszewski, Dariusz Przybylski und Ignacy Zalewski gewidmet wurden.
Die Stiftung SPOT.ON ART beantragte die Förderung der Maßnahme Musik der Neuen Synagoge im Rahmen des Kleinprojektefonds des Kooperationsprogramms Interreg VI A Mecklenburg-Vorpommern/Brandenburg/Polen in der Euroregion Pomerania unter dem spezifischen Ziel 4.6 Kultur und nachhaltiger Tourismus und aus der zweckgebundenen Reserve des Staatshaushalts.
Ziel: Organisation und Durchführung eines Konzerts jüdischer liturgischer Musik.
Ergebnis: Erleichterung des grenzüberschreitenden Zugangs zu kulturellen Angeboten und Sensibilisierung für die gemeinsame Kultur und Geschichte an der Grenze.
Indikatoren:
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Grenzübergreifend kooperierende Organisationen: 2
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Teilnahmen an grenzübergreifenden gemeinsamen Maßnahmen: 60